Der folgende Beitrag ist eine Übersetzung des Essays How to Get Startup Ideas von Paul Graham, Mitgründer des Startup-Inkubators Y Combinator. Der englische Originalartikel hat mich sehr inspiriert. Aus meiner Sicht sind die Prinzipien, die Paul Graham für Startup-Ideen darstellt, auf Innovationen allgemein übertragbar. Ich freue mich deshalb, Ihnen hier die deutsche Übersetzung des Textes zur Verfügung stellen zu können:
Wie man auf Startup-Ideen kommt
von Paul Graham
Der Weg zu Startup-Ideen ist nicht, zu versuchen, auf Startup-Ideen zu kommen. Der Weg ist, nach Problemen zu suchen, vorzugsweise Problemen, die man selbst hat.
Die allerbesten Startup-Ideen neigen dazu, drei gemeinsame Merkmale zu haben: Sie sind etwas, das die Gründer selbst brauchen, was sie selbst herstellen können und was wenige andere als lohnend erkennen. Microsoft, Apple, Yahoo, Google und Facebook fingen alle auf diese Weise an.
Probleme
Warum ist es so wichtig, an einem Problem zu arbeiten, das man selbst hat? Unter anderem ist dadurch sichergestellt, dass das Problem wirklich existiert. Es klingt selbstverständlich, dass man nur an bestehenden Problemen arbeiten sollte. Und trotzdem ist bei weitem der häufigste Fehler, den Startups machen, Probleme zu lösen, die keiner hat.
Ich habe diesen Fehler selbst gemacht. 1995 gründete ich eine Firma, um Kunstgalerien ins Internet zu bringen. Aber Galerien wollten nicht online sein. So funktioniert das Kunstgeschäft nicht. Warum habe ich also sechs Monate damit verbracht, an dieser dummen Idee zu arbeiten? Weil ich nicht auf die Nutzer geachtet habe. Ich habe ein Modell der Welt erfunden, was nicht der Wirklichkeit entsprach und habe darauf aufgebaut. Ich habe nicht bemerkt, dass mein Modell falsch war, bis ich versucht habe, Nutzer zu überzeugen, für das zu bezahlen, was wir entwickelt hatten. Selbst dann habe ich beschämend lange gebraucht, das zu kapieren. Ich hing an meinem Modell der Welt und ich hatte viel Zeit in die Software investiert. Sie hatten sie zu wollen!
Warum entwickeln so viele Gründer Dinge, die niemand will? Weil sie damit anfangen, zu versuchen, sich Startup-Ideen auszudenken. Das ist meiner Meinung nach doppelt gefährlich: Es bringt nicht nur wenig gute Ideen hervor, es bringt schlechte Ideen hervor, die plausibel genug klingen, um einen dazu zu verleiten, daran zu arbeiten.
Bei Y Combinator (YC) nennen wir diese Ideen „künstliche“ oder „Sitcom“-Ideen. Stellen Sie sich vor, einer der Protagonisten einer TV-Serie würde ein Startup gründen. Die Autoren müssten sich für das Startup etwas ausdenken, was es macht. Auf eine gute Startup-Idee zu kommen, ist allerdings schwierig. Das ist nichts, was man auf Kommando machen kann. Deshalb würden die Autoren auf eine Idee kommen, die plausibel kingt, aber eigentlich schlecht ist (es sei denn, sie hätten unglaubliches Glück).
Beispielsweise ein soziales Netzwerk für Haustierbesitzer. Das klingt nicht offensichtlich daneben. Millionen Menschen haben Haustiere. Oft kümmern sie sich sehr viel um ihre Haustiere und geben viel Geld für sie aus. Sicher würden sich viele dieser Leute einen Platz wünschen, wo sie mit anderen Haustierbesitzern ins Gespräch kommen können. Vielleicht nicht alle, aber wenn nur zwei oder drei Prozent davon regelmäßige Besucher wären, könnte man Millionen Nutzer haben. Man könnte denen zielgruppengerechte Angebote unterbreiten und sich vielleicht für Premium-Funktionen bezahlen lassen. [1]
Die Gefahr einer Idee wie dieser ist, dass Ihre Freunde mit Haustieren nicht sagen: „Das würde ich niemals benutzen“, wenn Sie die Idee vorstellen. Sie sagen „Mh, vielleicht könnte ich mir vorstellen, so was in der Art zu benutzen.“ Selbst, wenn das Startup damit auf den Markt geht, wird es für viele Menschen plausibel klingen. Sie wollen es nicht selber nutzen, zumindest nicht gerade jetzt, aber sie könnten sich vorstellen, dass andere Leute das wollen. Summieren Sie diese Reaktion über die gesamte Bevölkerung und Sie haben null Nutzer. [2]
Brunnen
Wenn ein Startup auf den Markt geht, müssen wenigstens ein paar Nutzer da sein, die wirklich brauchen, was das Startup macht – nicht nur Leute, die sich vorstellen könnten, es eines Tages zu benutzen, sondern solche, die es dringend haben wollen. Normalerweise ist diese anfängliche Nutzergruppe klein, aus einem einfachen Grund: Wenn es etwas gäbe, was eine große Gruppe von Menschen dringend bräuchte und was mit dem Arbeitsaufwand gebaut werden könnte, den ein Startup üblicherweise in eine Version 1 stecken kann, dann würde es wahrscheinlich schon existieren. Das bedeutet, man muss in einer Dimension Kompromisse machen: Man kann entweder etwas herstellen, was eine große Anzahl Menschen in kleinem Maß will oder etwas, was eine kleine Anzahl Menschen in großem Maß will. Wählen Sie das letztere. Nicht alle Ideen dieser Art sind gute Startup-Ideen, aber fast alle guten Startup-Ideen gehören zu dieser Art.
Stellen Sie sich ein Diagramm vor, dessen X-Achse die Zahl der Leute darstellt, die brauchen könnten, was Sie herstellen und dessen Y-Achse darstellt, wie sehr diese Leute es wollen. Wenn man die Skala der Y-Achse umdreht, kann man sich Unternehmen als Löcher vorstellen. Google ist ein gewaltiger Krater: Hunderte Millionen Menschen nutzen es und die brauchen es sehr. Ein Startup, was gerade loslegt, kann nicht erwarten so viel Volumen auszubaggern. Man hat also die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, wie das Loch geformt sein kann, mit dem man beginnt. Man kann entweder ein Loch graben, was breit, aber flach ist oder eins, was eng und tief ist, wie ein Brunnen.
Künstliche Startup-Ideen fallen normalerweise in die erste Kategorie. Viele Menschen sind ein bisschen interessiert an einem Sozialen Netzwerk für Haustierbesitzer.
Fast alle guten Startup-Ideen sind aus der zweiten Kategorie. Microsoft war ein Brunnen, als sie Altair Basic gemacht haben. Es gab nur ein paar tausend Altair-Besitzer, aber ohne diese Software mussten die in Maschinencode programmieren. Dreißig Jahre später hatte Facebook dieselbe Form. Deren erste Seite war exklusiv für Harvard-Studenten, von denen es nur ein paar tausend gibt, aber diese wenigen tausend Nutzer wollten Facebook unbedingt.
Wenn Sie eine Idee für ein Startup haben, fragen Sie sich selbst: Wer will das genau jetzt? Wer will das so sehr, dass er/sie es benutzen wird, selbst wenn es eine mistige Version 1 ist, die von einem Zwei-Personen-Startup produziert wurde, von dem sie/er noch nie etwas gehört hat? Wenn Sie das nicht beantworten können, dann ist die Idee wahrscheinlich schlecht. [3]
Man braucht nicht die Enge an sich. Es ist die Tiefe, die man braucht. Die Enge ergibt sich als Nebenprodukt der Optimierung auf Tiefe (und Schnelligkeit). Aber sie ergibt sich fast immer. In der Praxis ist die Verbindung zwischen Tiefe und Enge so stark, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn man weiß, dass eine Idee auf eine spezifische Gruppe oder Art Benutzer starken Eindruck macht.
Ein Bedürfnis in Form eines Brunnens ist zwar fast eine notwendige Bedingung für eine gute Startup-Idee, allerdings keine hinreichende. Wenn Mark Zuckerberg etwas gemacht hätte, was auf ewig nur für Harvard-Studenten attraktiv gewesen wäre, dann wäre das keine gute Startup-Idee gewesen. Facebook war eine gute Idee, weil es mit einem kleinen Markt begann, aus dem ein schneller Weg heraus führte. Hochschulen sind einander ähnlich genug, dass ein Facebook, was in Harvard funktioniert, an jeder Hochschule funktionieren wird. Also verbreitet man sich rasant an allen Hochschulen. Wenn man erst alle Studenten hat, dann bekommt man alle anderen einfach dadurch, sie rein zu lassen.
Gleiches Bild für Microsoft: Basic für den Altair; Basic für andere Maschinen; andere Sprachen neben Basic; Betriebssysteme; Anwendungen; Börsengang.
Selbst
Wie stellt man fest, ob eine Idee einen Weg heraus bietet? Wie stellt man fest, ob etwas der Keim eines Großunternehmens oder nur ein Nischenprodukt ist? Oft kann man das nicht. Die Gründer von Airbnb erkannten zunächst nicht, wie groß der Markt ist, den sie gerade erschlossen. Zu Beginn hatten sie eine viel engere Idee. Sie wollten Gastgebern ermöglichen, während Kongressen Platz auf dem Fußboden zu vermieten. Sie konnten die Ausweitung dieser Idee nicht vorhersehen, sie zwang sich Ihnen schrittweise auf. Zunächst wussten sie nur, dass sie an etwas dran waren. Das ist wahrscheinlich so viel, wie Bill Gates oder Mark Zuckerberg anfangs wussten.
Gelegentlich ist schon von Anfang an offensichtlich, dass es einen Weg heraus aus der anfänglichen Nische gibt. Und manchmal kann ich einen Weg sehen, der nicht sofort offensichtlich ist. Das ist eine unserer Spezialitäten bei YC. Allerdings gibt es Grenzen, wie gut das gemacht werden kann, unabhängig von der eigenen Erfahrung. Die wichtigste Erkenntnis über Wege heraus aus der Anfangsidee ist die übergreifende Tatsache, dass diese schwer zu sehen sind.
Wenn man also nicht vorhersagen kann, ob es einen Weg heraus aus der Idee gibt, wie entscheidet man dann zwischen Ideen? Die Wahrheit ist enttäuschend, aber interessant: Wenn man die richtige Art von Mensch ist, dann hat man die richtige Art von Ahnungen. Wenn man an vorderster Front eines sich schnell verändernden Gebietes ist und eine Ahnung hat, dass etwas wert ist, gemacht zu werden, dann ist es wahrscheinlicher, dass man Recht hat.
In Zen und die Kunst, ein Motorad zu warten schreibt Robert Pirsig:
Du willst wissen, wie man ein vollkommenes Gemälde malt? Das ist einfach. Vervollkommne dich sich selbst und male dann ganz unbefangen.
Ich habe über diese Passage nachgedacht, seit ich sie in der Schule gelesen habe. Ich bin mir nicht sicher, wie nützlich dieser Rat speziell für die Malerei ist, aber er passt gut zur dieser Situation. Erfahrungsgemäß ist der Weg, gute Startup-Ideen zu haben, die Art von Mensch zu werden, der sie hat.
An vorderster Front eines Gebietes zu sein bedeutet nicht, dass man einer der Menschen sein muss, die es voranbringen. Man kann auch als Anwender an vorderster Front sein. Facebook erschien Mark Zuckerberg nicht deshalb als eine gute Idee, weil er ein Programmierer war, sondern weil er Computer so viel verwendete. Wenn man die meisten Vierzigjährigen 2004 gefragt hätte, ob sie gerne ihr Leben halböffentlich im Internet publizieren würden, dann wären sie von der Idee schockiert gewesen. Aber Mark Zuckerberg lebte bereits online, ihm erschien es natürlich.
Paul Buchheit sagt, dass Menschen an der vordersten Front eines sich rasant verändernden Gebietes „in der Zukunft leben.“ Man kombiniere das mit Pirsig und erhält:
Lebe in der Zukunft, dann erschaffe, was fehlt.
Das beschreibt die Art, wie viele, wenn nicht die meisten der größten Startups angefangen haben. Weder Apple, noch Yahoo, noch Google, noch Facebook waren anfänglich überhaupt als Firma vorgesehen. Sie wuchsen aus Dingen heraus, die ihre Gründer erschaffen hatten, weil es eine Lücke in der Welt zu geben schien.
Wenn man sich ansieht, wie erfolgreiche Gründer ihre Ideen hatten, dann ist das generell das Ergebnis eines äußeren Reizes, der auf einen vorbereiteten Verstand triff. Bill Gates und Paul Allen erfahren vom Altair und denken: „Ich wette, wir könnten einen Basic-Interpreter dafür schreiben.“ Drew Houston bemerkt, dass er seinen USB-Stick vergessen hat und denkt: „Ich muss wirklich dafür sorgen, dass meine Dateien online sind.“ Viele Menschen haben vom Altair gehört. Viele haben USB-Sticks vergessen. Der Grund, warum diese Reize diese Gründer dazu gebracht haben, Unternehmen zu gründen, war, dass deren Erfahrungen sie darauf vorbereitet hatten, die Chancen wahrzunehmen, die diese Reize darstellten.
Das Verb, was man im Zusammenhang mit Startup-Ideen verwenden sollte, ist nicht „ausdenken“ sondern „wahrnehmen“. Bei YC nennen wir Ideen, die auf natürlichem Wege aus der Erfahrung der Gründer heraus entstehen, „organische“ Startup-Ideen. Die erfolgreichsten Startups haben fast alle so angefangen.
Das ist vielleicht nicht das, was Sie hören wollten. Sie haben vielleicht Rezepte für das Ausdenken von Startup-Ideen erwartet, stattdessen erzähle ich Ihnen, dass der Schlüssel ist, einen Verstand zu haben, der auf die richtige Art und Weise vorbereitet ist. Aber auch wenn das enttäuschend sein mag, ist es die Wahrheit. Und es ist eine Art Rezept. Nur eins, was im schlimmsten Fall ein Jahr dauert statt ein Wochenende.
Wenn man nicht an vorderster Front eines sich rasant entwickelnden Feldes ist, dann kann man dort hin kommen. Beispielsweise kann jeder halbwegs intelligente Mensch wahrscheinlich innerhalb eines Jahres an eine der Fronten im Bereich Programmierung gelangen (z. B. Entwickeln mobiler Apps). Da ein erfolgreiches Startup mindestens 3-5 Jahre Ihres Lebens verbrauchen wird, wäre ein Jahr Vorbereitung eine vernünftige Investition. Insbesondere, wenn Sie auch nach einem Mitgründer suchen. [4]
Man muss nicht programmieren lernen, um an vorderster Front eines sich schnell entwickelnden Gebietes zu sein. Andere Gebiete entwickeln sich schnell. Aber auch wenn es nicht erforderlich ist, Programmieren zu lernen, so ist es doch für die vorhersehbare Zukunft ausreichend. „Software frisst die Welt auf,“ hat Marc Andreesen es formuliert. Und dieser Trend wird noch Jahrzehnte anhalten.
Wenn man weiß, wie man programmiert, bedeutet das auch, dass man in der Lage ist, Ideen umzusetzen, wenn man sie hat. Das ist nicht unbedingt notwendig (Jeff Bezos konnte es nicht), aber es ist ein Vorteil. Wenn man eine Idee in Betracht zieht, so etwas wie ein Hochschul-Facebook online zu stellen, dann ist das ein großer Vorteil. Statt zu denken: „Das ist eine interessante Idee,“ können Sie denken: „Das ist eine interessante Idee. Ich werde mal versuchen, heute Nacht eine erste Version zusammenzubauen.“ Noch besser ist es, wenn man sowohl Programmierer als auch Ziel-Nutzer ist, weil dann der Kreislauf des Erzeugens neuer Versionen und des Testens am Benutzer innerhalb eines Kopfes passieren kann.
Wahrnehmen
Wenn man erst in mancher Hinsicht der Zukunft lebt, ist der Weg, um Startup-Ideen wahrzunehmen, nach Dingen Ausschau zu halten, die zu fehlen scheinen. Wenn man an vorderster Front eines sich rasant verändernden Gebietes ist, wird es Dinge geben, die offensichtlich fehlen. Nicht so offensichtlich wird sein, dass das Startup-Ideen sind. Wenn Sie also Startup-Ideen finden wollen, schalten Sie nicht nur den „Was fehlt?“-Filter an. Schalten Sie auch jeden anderen Filter aus, insbesondere „Könnte das ein großes Unternehmen werden?“ Später ist genug Zeit, diesen Test anzuwenden. Aber wenn man zu Beginn darüber nachdenkt, könnte dies nicht nur viele gute Ideen herausfiltern, sondern Sie auch dazu bringen, sich auf schlechte zu konzentrieren.
Viele Dinge, die fehlen, brauchen ihre Zeit, um gesehen zu werden. Man muss sich fast selbst dazu überlisten, die Ideen um einen herum zu sehen.
Aber Sie wissen, dass die Ideen da draußen sind. Das ist nicht eines dieser Probleme, zu dem es vielleicht keine Lösung gibt. Es ist unerreichbar unwahrscheinlich, dass dies der exakte Zeitpunkt ist, zu dem der technologische Fortschritt aufhört. Sie können sicher sein, dass Menschen in den nächsten paar Jahren Dinge entwickeln, die Sie denken lassen: „Was habe ich nur vor X gemacht?“
Und wenn diese Probleme gelöst werden, werden sie im Rückblick wahrscheinlich flammend offensichtlich erscheinen. Was Sie tun müssen, ist die Filter auszuschalten, die normalerweise verhindern, dass wir diese Probleme sehen. Der stärkste Filter ist einfach, den aktuellen Zustand der Welt als gegeben hinzunehmen. Selbst die am radikalsten unvoreingenommenen von uns tun das meistens. Man könnte nicht von seinem Bett bis zur Haustür kommen, wenn man für alles anhalten würde, um es zu hinterfragen.
Aber wenn man nach Startup-Ideen sucht, kann man etwas von der Effizienz des Hinnehmens des Status quo opfern und anfangen, Dinge zu hinterfragen. Warum läuft Ihr Posteingang über? Weil Sie eine Menge E-Mails bekommen oder weil es schwer ist, E-Mails aus dem Posteingang herauszukriegen? Warum kriegen Sie so viele E-Mails? Welche Probleme versuchen andere zu lösen, indem Sie Ihnen eine E-Mail senden? Gibt es bessere Wege, diese Probleme zu lösen? Und warum ist es schwer, E-Mails aus dem Posteingang zu kriegen? Warum heben Sie E-Mails auf, nachdem Sie sie gelesen haben? Ist der Posteingang dafür das optimale Werkzeug?
Achten Sie besonders auf Dinge, an denen Sie sich reiben. Der Vorteil daran, den Status quo als gegeben hinzunehmen, ist nicht nur, dass es das Leben (lokal) effizienter macht, sondern auch, dass es das Leben erträglicher macht. Wenn Sie von all den Dingen wüssten, die in den nächsten 50 Jahren hinzukommen werden, die wir aber jetzt nocht nicht haben, würden Sie das heutige Leben als ziemlich einschränkend empfinden – genau wie jemand aus der Gegenwart, der in einer Zeitmaschine 50 Jahre in der Zeit zurück geschickt würde. Wenn Sie etwas ärgert, könnte es daran liegen, dass Sie in der Zukunft leben.
Wenn Sie die richtige Art Problem finden, sollten Sie wahrscheinlich in der Lage sein, es als offensichtlich zu beschreiben, zumindest offensichtlich für Sie. Als wir Viaweb starteten, wurden alle Online-Shops per Hand eingerichtet, von Webdesignern, die einzelne HTML-Seiten erstellt haben. Für uns Programmierer war offensichtlich, dass diese Seiten von Software erzeugt werden müssten. [5]
Seltsamerweise bedeutet das, dass es beim Entwickeln von Startup-Ideen darum geht, das Offensichtliche zu sehen. Das zeigt, wie eigenartig dieser Prozess ist: Man versucht, Dinge zu sehen, die offensichtlich sind, die man aber bisher nicht gesehen hat.
Da es hierfür nötig ist, sich geistig locker zu machen, mag es das beste sein, nicht so sehr einen direkten Frontalangriff auf das Problem zu starten – also sich hinzusetzen und zu versuchen, auf Ideen zu kommen. Der beste Plan mag sein, einfach einen Hintergrundprozess laufen zu lassen, der nach Dingen sucht, die zu fehlen scheinen. Arbeiten Sie an schwierigen Problemen, vor allem angetrieben durch Neugierde, aber lassen Sie ein zweites Ich über Ihre Schulter schauen, was Notizen von Lücken und Anomalien macht. [6]
Lassen Sie sich etwas Zeit. Sie haben viel Einfluss darauf, wie schnell Sie Ihren Verstand in einen vorbereiteten verwandeln, aber Sie haben weniger Einfluss auf die Stimuli, die Ideen auslösen, wenn Sie auf Ihren Verstand treffen. Wenn Bill Gates und Paul Allen sich selbst die Grenze gesetzt hätten, in einem Monat auf eine Startup-Idee zu kommen, was wäre, wenn sie einen Monat vor dem Erscheinen des Altair gewählt hätten? Sie hätten wahrscheinlich an einer weniger vielversprechenden Idee gearbeitet. Drew Houston hatte vor Dropbox an einer weniger vielsversprechenden Idee gearbeitet: einem Startup für Vorbereitungskurse zum Studierfähigkeits-Test. Aber Dropbox war eine viel bessere Idee, sowohl im absoluten Sinn, als auch in der Übereinstimmung mit seinen Fähigkeiten. [7]
Es ist ein guter Weg, sich selbst dazu zu überlisten, Ideen wahrzunehmen, indem man an Projekten arbeitet, die wirken, als würden sie Spaß machen. Wenn man das macht, tendiert man von Natur aus dazu, Dinge zu entwickeln, die fehlen. Es würde nicht so interessant erscheinen etwas zu entwickeln, was es schon gibt.
Genau wie der Versuch, sich Startup-Ideen auszudenken, tendenziell schlechte Ideen hervorbringt, so bringt das Arbeiten an Dingen, die als „Spielzeuge“ abgetan werden könnten, oft gute Ideen hervor. Wenn etwas als Spielzeug beschrieben wird, dann bedeutet das, es hat alles, was eine Idee braucht, abgesehen von Bedeutung. Es ist cool; die Nutzer lieben es; es ist nur nicht wichtig. Wenn man aber in der Zukunft lebt und etwas tolles baut, was die Nutzer lieben, dann kann das wichtiger sein, als Außenseiter denken. Mikrocomputer wirkten wie Spielzeuge, als Apple und Microsoft begannen, daran zu arbeiten. Ich bin alt genug, um mich an diese Zeit zu erinnern; die übliche Bezeichnung für Menschen mit einem eigenen Mikrocomputer war „Hobbyisten.“ BackRub wirkte wie ein inkonsequentes Forschungsprojekt. „The Facebook“ war nur ein Weg für Studenten, sich gegenseitig zu stalken.
Bei YC sind wir begeistert, wenn wir Startups treffen, die an Dingen arbeiten, bei denen wir uns vorstellen könnten, dass Besserwisser in Foren sie als Spielzeuge abtun. Für uns ist das ein positiver Beleg, dass eine Idee gut ist.
Wenn Sie es sich leisten können, vorausschauend zu planen (und Sie können sich wohl kaum leisten, es nicht zu tun), dann können Sie „Lebe in der Zukunft, dann erschaffe, was fehlt“ in etwas noch besseres verwandeln:
Lebe in der Zukunft und erschaffe, was interessant erscheint.
Universität
Das ist es, was ich Studenten rate zu tun, statt zu versuchen, etwas über „Entrepreneurship“ zu lernen. „Entrepreneurship“ lernt man am besten, indem man es macht. Die Beispiele der erfolgreichsten Gründer machen das deutlich. Seine Studienzeit sollte man dafür verwenden, sich in die Zukunft hochzuschrauben. Das Studium ist eine unvergleichliche Möglichkeit, das zu tun. Was für eine Verschwendung, eine Gelegenheit zu opfern, den harten Teil der Startup-Gründung zu lösen – die Art von Mensch zu werden, der organische Startup-Ideen haben kann – indem man Zeit damit verbringt, etwas über den einfachen Teil zu lernen. Insbesondere da man nicht mal wirklich etwas darüber lernt, nicht mehr als man über Sex in einem Kurs lernen würde. Alles was man lernt sind die Namen für die Dinge.
Das Aufeinandertreffen von Fachgebieten ist eine besonders fruchtbare Quelle für Ideen. Wenn man viel über Programmierung weiß und beginnt, etwas über ein anderes Gebiet zu lernen, dann sieht man wahrscheinlich Probleme, die Software lösen könnte. Faktisch ist es doppelt wahrscheinlich, dass man gute Probleme in einem anderen Gebiet findet: (a) Die Einheimischen in diesem Gebiet haben im Gegensatz zu Software-Leuten wahrscheinlich noch keine Probleme durch Software gelöst und (b) weil man total ignorant in das Gebiet hineinkommt, weiß man nicht mal was der Status Quo ist, den man als gegeben hinnehmen könnte.
Wenn man also ein Informatik-Student ist und ein Startup gründen will, dann ist man besser dran, wenn man anstelle eines Kurses über Unternehmensgründung einen Kurs über beispielsweise Genetik besucht. Oder noch besser, man arbeitet für ein Biotech-Unternehmen. Informatikstudenten kriegen normalerweise Sommerjobs in Computerhardware- oder Softwarefirmen. Wenn Sie aber eine Startup-Idee finden wollen, dann wäre es besser, einen Sommerjob in einem nichtverwandten Feld zu kriegen. [8]
Oder besuchen sie keine weiteren Kurse sondern entwickeln Sie einfach etwas. Es ist kein Zufall, dass Microsoft und Facebook im Januar gestartet wurden. In Harvard ist (oder war) das die „Lesezeit“, in der die Studenten keine Kurse besuchen müssen, weil sie für ihre Abschlussprüfungen lernen sollten. [9]
Aber bekommen Sie nicht das Gefühl, als müssten Sie Sachen entwickeln, die Startups werden. Das ist vorzeitige Optimierung. Entwickeln Sie einfach Sachen. Vorzugsweise mit anderen Studenten. Es sind nicht nur die Kurse, die eine Universität zu einem so guten Platz machen, um sich in die Zukunft zu kurbeln. Man ist auch umgeben von anderen Menschen, die dasselbe versuchen. Wenn man mit ihnen zusammen an Projekten arbeitet, dann wird man letztlich nicht nur organische Ideen erzeugen, sondern organische Ideen mit organischen Gründerteams – und das ist nachweislich die beste Kombination.
Hüten Sie sich vor Forschung. Wenn ein Student etwas programmiert, was alle seine Freunde anfangen zu benutzen, dann ist das recht wahrscheinlich eine gute Startup-Idee. Dagegen ist eine Doktorarbeit höchstwahrscheinlich keine. Je mehr ein Projekt als Forschung zählen muss, desto unwahrscheinlicher ist es aus irgendeinem Grund, dass es in ein Startup verwandelt werden könnte. [10] Ich denke, der Grund dafür ist, dass die Untermenge der Ideen, die als Forschung zählen, so begrenzt ist, dass es unwahrscheinlich ist, dass ein Projekt, was diese Rahmenbedingung erfüllt gleichzeitig die orthogonale Bedingung erfüllt, Probleme der Nutzer zu lösen. Wenn aber Studenten (oder Professoren) nebenbei etwas entwickeln, dann zieht es sie automatisch zur Lösung von Nutzerproblemen hin – vielleicht sogar mit einer zusätzlichen Energie, die von der Befreiung von Einschränkungen der Forschung herrührt.
Wettbewerb
Weil eine gute Idee offensichtlich scheinen sollte, hat man oft das Gefühl, spät dran zu sein, wenn man sie hat. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Die Besorgnis, spät dran zu sein, ist eins der Zeichen einer guten Idee. Zehn Minuten Internetsuche sollten normalerweise die Frage erledigen. Selbst, wenn man jemand anders findet, der an der selben Sache arbeitet, ist es wahrscheinlich noch nicht zu spät. Startups werden außergewöhnlich selten von Wettbewerbern ausgelöscht – so selten, dass man die Möglichkeit fast außer acht lassen kann. Falls sie nicht einen Wettbewerber entdecken, der so im Markt verankert ist, dass Nutzer daran gehindert werden, Sie zu wählen, verwerfen Sie die Idee nicht.
Wenn Sie sich unsicher sind, fragen Sie die Nutzer. Die Frage, ob Sie zu spät sind, ist der Frage untergeordnet, ob irgendjemand dringend braucht, was Sie vorhaben herzustellen. Wenn Sie etwas haben, was kein Wettbewerber hat und was eine Untermenge der Nutzer dringend braucht, dann haben Sie einen Brückenkopf. [11]
Die Frage ist dann, ob dieser Brückenkopf groß genug ist. Oder wichtiger, wer darin ist: Wenn der Brückenkopf aus Leuten besteht, die etwas machen, was viel mehr Leute in der Zukunft machen werden, dann ist er wahrscheinlich groß genug, egal wie klein er ist. Wenn Sie beispielsweise etwas entwickeln, was sich vom Wettbewerb dadurch unterscheidet, dass es auf Smartphones funktioniert, aber es funktioniert nur auf den neuesten Smartphones, dann ist das wahrscheinlich ein ausreichend großer Brückenkopf.
Entscheiden Sie sich im Zweifel dafür, etwas zu entwickeln, wofür es Wettbewerber gibt. Unerfahrene Gründer zollen Wettbewerbern üblicherweise mehr Respekt, als sie verdienen. Ob man erfolgreich ist, hängt viel mehr von einem selbst ab als von den Wettbewerbern. Also lieber eine gute Idee mit Wettbewerbern als eine schlechte ohne.
Sie müssen sich keine Sorgen darüber machen, einen „überfüllten“ Markt zu betreten, solange Sie eine These haben, was jeder andere in diesem Markt übersieht. Das ist sogar ein sehr vielversprechender Ausgangspunkt. Google war diese Art von Idee. Ihre These muss jedoch präziser sein als: „Wir machen ein X, was nicht mies ist.“ Sie müssen in der Lage sein, Ihre These zu beschreiben in Bezug auf etwas, was die Platzhirsche übersehen. Am allerbesten ist es, wenn Sie sagen können, dass die Platzhirsche nicht die Courage hatten und dass Ihr Plan ist, das umzusetzen, was die Platzhirsche auch getan hätten, wenn sie ihren eigenen Erkenntnissen gefolgt wären. Google war auch dieser Typ von Idee. Die vorher existierenden Suchmaschinen scheuten die radikalsten Schlussfolgerungen aus ihrer Arbeit – besonders, dass die Nutzer immer schneller weg wären, je besser sie ihre Arbeit machten.
Ein überfüllter Markt ist sogar ein gutes Zeichen, weil es sowohl bedeutet, dass ein Bedarf da ist, als auch, dass keine der vorhandenen Lösungen gut genug ist. Ein Startup kann nicht erhoffen, in einen Markt zu kommen, der offensichtlich groß ist und in dem es trotzdem keine Wettbewerber gibt. Also wird jedes erfolgreiche Startup entweder einen Markt mit bestehenden Wettbewerbern betreten, aber bewaffnet mit der Geheimwaffe, die einem alle Nutzer bringt, oder einen scheinbar kleinen Markt, der sich als groß herausstellt (wie Microsoft). [12]
Filter
Es gibt noch zwei Filter, die man ausschalten muss, wenn man Startup-Ideen wahrnehmen möchte: Den Unsexy-Filter und den Plackerei-Filter.
Die meisten Programmiere wünschen sich, sie könnten ein Startup gründen indem sie einfach brillanten Code schreiben, den auf einen Server schieben und von den Benutzern dann viel Geld kriegen. Sie würden es bevorzugen, nichts mit nervigen Problemen oder dem Durcheinander der realen Welt zu tun zu haben. Das ist eine vernünftige Einstellung, weil solche Dinge einen ausbremsen. Aber diese Einstellung ist so weit verbreitet, dass der Raum der bequemen Startup-Ideen ziemlich leergefegt ist. Wenn man seine Gedanken ein paar Ecken weiter in Richtung runter zu den unschönen, nervigen Ideen schweifen lässt, dann wird man wertvolle Ideen finden, die einfach dasitzen und darauf warten, umgesetzt zu werden.
Der Plackerei-Filter ist so gefährlich, dass ich ein separates Essay über den Zustand geschrieben habe, der dadurch hervorgerufen wird, welches ich Plackerei-Blindheit genannt habe. Ich habe Stripe als Beispiel genannt, was davon profitiert hat, diesen Filter auszuschalten, ein besonders beeindruckendes Beispiel. Tausende Programmierer waren in der Lage, diese Idee zu sehen; tausende Programmierer wussten, wie schmerzhaft es ist, Zahlungen zu verarbeiten, bevor Stripe kam. Aber wenn sie nach Startup-Ideen Ausschau hielten, sahen sie diese Idee nicht, weil sie unbewusst davor zurückschreckten mit Zahlungen umgehen zu müssen. Und mit Zahlungen umgehen zu müssen ist eine Plackerei für Stripe, aber keine unvertretbare. In Wirklichkeit hatten sie wohl in der Summe weniger Mühe. Weil die Angst vor dem Umgang mit Zahlungen die meisten Leute von dieser Idee fernhielt, lief es für Stripe in anderen Bereichen, die üblicherweise mühsam sind, vergleichsweise glatt, wie zum Beispiel Nutzergewinnung. Sie mussten sich nicht besonders anstrengen, sich bei Nutzern bekannt zu machen, weil die Nutzer verzweifelt auf das warteten, was sie entwickelten.
Der Unsexy-Filter ist von gleicher Art wie der Plackerei-Filter, abgesehen davon dass er Sie vom Arbeiten an Problemen abhält, die Sie nicht achten und nicht von denen, vor denen Sie Angst haben. Wir haben diesen Filter bei der Arbeit an Viaweb überwunden. Es gab interessante Aspekte in der Architektur der Software, aber wir hatten per se kein Interesse an E-Commerce. Wir konnten trotzdem sehen, dass das Problem gelöst werden musste.
Den Plackerei-Filter auszuschalten ist wichtiger, als den Unsexy-Filter auszuschalten, weil der Plackerei-Filter mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Illusion ist. Und selbst bis zu dem Grad, in dem er keine Illusion ist, ist er eine schlimmere Form des sich gehen lassens. Ein erfolgreiches Startup zu gründen ist in jedem Fall viel Arbeit. Auch wenn das Produkt nicht viel Plackerei nach sich zieht, hat man trotzdem viel Plackerei mit Investoren, dem Einstellen und Entlassen von Mitarbeitern und vielem mehr. Wenn es also eine Idee gibt, von der Sie denken, sie wäre cool, aber Sie lassen sich von der Angst vor der dazugehörigen Plackerei davon abhalten, dann machen Sie sich keine Sorgen: Jede hinreichend gute Idee wird so viel Plackerei bedeuten.
Der Unsexy-Filter, auch wenn er immer noch eine Quelle für Fehler ist, ist nicht ganz so unnütz wie der Plackerei-Filter. Wenn Sie an vorderster Front eines sich schnell verändernden Gebietes sind, dann werden Ihre Vorstellungen darüber, was sexy ist, ein bisschen damit korreliert sein, was einen praktischen Wert besitzt. Insbesondere, wenn Sie älter und erfahrener werden. Dazu kommt, dass Sie an einer Idee enthusiastischer arbeiten werden, wenn Sie sie sexy finden. [13]
Rezepte
Auch wenn man zum Entdecken von Startup-Ideen am besten die Art von Mensch wird, die solche Ideen hat und dann entwickelt, was immer einen interessiert, hat man manchmal nicht diesen Luxus. Manchmal braucht man sofort eine Idee. Beispielsweise, wenn man an einem Startup arbeitet und die ursprüngliche Idee sich als schlecht herausstellt.
Für den Rest dieses Essays werde ich über Tricks sprechen, um nach Bedarf Startup-Ideen zu entwickeln. Obwohl Sie nachweislich mit der organischen Strategie besser dran sind, könnten Sie auch auf diesem Weg erfolgreich sein. Sie müssen nur disziplinierter sein. Wenn man die organische Methode benutzt, dann bemerkt man eine Idee gar nicht, es sei denn, sie ist Beleg dafür, dass etwas wirklich fehlt. Aber wenn man eine bewusste Anstrengung unternimmt, um an Startup-Ideen zu denken, dann muss man diese natürliche Einschränkung mit Selbstdisziplin ersetzen. Sie werden viel mehr Ideen sehen, die meisten davon schlecht, so dass Sie in der Lage sein müssen, diese zu filtern.
Wenn man nicht die organische Methode verwendet, ist eine der größten Gefahren das Vorbild der organischen Methode. Organische Ideen fühlen sich wie inspirationen an. Es gibt viele Geschichten über erfolgreiche Startups, die damit begannen, dass ihre Gründer eine scheinbar verrückte Idee hatten, aber „einfach wussten“, dass sie vielversprechend war. Wenn man dieses Gefühl hat, während man versucht, auf Startup-Ideen zu kommen, ist man wahrscheinlich im Irrtum.
Auf der Suche nach Ideen sollten Sie in Gebieten suchen, in denen Sie eine gewisse Expertise haben. Wenn Sie ein Datenbank-Experte sind, sollten Sie keine Chat-App für Teenager entwickeln (falls Sie nicht selbst einer sind). Es ist vielleicht eine gute Idee, aber Sie können Ihrem Urteil darüber nicht vertrauen, also ignorieren Sie sie. Es muss andere Ideen geben, die Datenbanken einbeziehen und deren Qualität Sie einschätzen können. Finden Sie es schwer, auf gute Ideen mit Bezug auf Datenbanken zu kommen? Das liegt daran, dass Ihre Expertise Ihre Standards anhebt. Ihre Ideen über Chat-Apps sind genau so schlecht, aber Sie lassen den Dunning-Kruger-Effekt für dieses Gebiet außer acht.
Die Orte, an denen Sie beginnen sollten, nach Ideen zu suchen sind Ihre Bedürfnisse. Es muss Dinge geben, die Sie brauchen. [14]
Ein guter Trick ist, sich selbst zu fragen, ob man sich in seinem vorherigen Job jemals dabei ertappt hat, zu sagen: „Warum macht nicht mal jemand X? Wenn jemand X herstellen würde, wir würden es in einer Sekunde kaufen.“ Wenn man sich an irgendein X erinnert, über das Leute das gesagt haben, dann haben Sie wahrscheinlich eine Idee. Sie wissen, es gibt Bedarf und die Leute sagen so etwas nicht über Dinge, die unmöglich herzustellen sind.
Versuchen Sie noch allgemeiner, sich zu fragen, ob Sie selbst in einer Art und Weise ungewöhnlich sind, dass sich Ihre Bedürfnisse von den Bedürfnisse der meisten anderen unterscheiden. Sie sind wahrscheinlich nicht der Einzige. Es ist besonders gut, wenn Sie in einer Art anders sind in der es zunehmend auch andere sind.
Wenn Sie Ideen wechseln, dann ist eine Ihrer ungewöhnlichen Eigenschaften die Idee, an der Sie vorher gearbeitet haben. Haben Sie irgendwelche Bedürfnisse entdeckt, während Sie daran gearbeitet haben? Einige bekannte Startups haben auf diese Weise angefangen. Hotmail begann als etwas, was die Gründer geschrieben haben, um sich über ihre vorherige Startup-Idee zu unterhalten, während sie in ihren Alltagsjobs arbeiteten. [15]
Ein besonders vielversprechender Weg, ungewöhnlich zu sein, ist jung zu sein. Einige der wertvollsten neuen Ideen sind zuerst bei Jugendlichen und Leuten Anfang 20 verwurzelt. Und während junge Gründer in einigen Aspekten einen Nachteil haben, sind sie die einzigen, die wirklich ihre Altersgenossen verstehen. Für jemand, der kein Student ist, wäre es sehr schwer gewesen, Facebook zu gründen. Wenn Sie also ein junger Gründer sind (sagen wir unter 23), gibt es Dinge, die Sie und Ihre Freunde gerne machen würden, die mit der aktuellen Technologie nicht gehen?
Das Zweitbeste nach einem eigenen unbefriedigten Bedürfnis ist ein unbefriedigtes Bedürfnis eines anderem. Versuchen Sie mit jedem, bei dem das möglich ist, über die Lücken zu sprechen, die er/sie in der Welt sieht. Was fehlt? Was würde sie/er gerne machen, was nicht geht? Was ist nervig oder ärgerlich, insbesondere bei der Arbeit? Lassen Sie das Gespräch allgemein werden; versuchen Sie nicht zu sehr, Startup-Ideen zu finden. Sie suchen nur nach etwas, was einen Gedanken zündet. Vielleicht bemerken Sie ein Problem, was Ihre Gesprächspartner nicht bewusst erkennen, weil Sie wissen, wie man es löst.
Wenn Sie ein unbefriedigtes Bedürfnis entdecken, was nicht Ihr eigenes ist, dann kann es zunächst etwas unscharf sein. Die Person, die etwas braucht, weiß vielleicht nicht genau, was sie braucht. In diesem Fall empfehle ich oft, dass Gründer sich wie Berater verhalten – dass sie tun, was sie tun würden, falls sie beauftragt wurden, die Probleme dieses einen Nutzers zu lösen. Die Probleme der Leute gleichen sich genug, dass fast der komplette Code, den Sie auf diese Weise schreiben, wiederverwendbar sein wird. Und was nicht wiederverwendbar ist, wird ein kleiner Preis dafür sein, dass man mit der Gewissheit startet, den Grund des Brunnens erreicht zu haben. [16]
Ein Weg um sicherzustellen, dass Sie die Probleme anderer Leute gut lösen, ist, sie zu Ihren eigenen zu machen. Als Rajat Suri von E la Carte sich entschied, Software für Restaurants zu schreiben, besorgte er sich einen Job als Kellner, um zu lernen, wie Restaurants arbeiten. Das mag extrem wirken, aber Startups sind extrem. Wir lieben es, wenn Gründer so etwas machen.
Es ist sogar eine Strategie, die ich Leuten empfehle, die eine neue Idee brauchen, nicht nur ihre Plackerei- und Unsexy-Filter abzuschalten, sondern Ideen zu suchen, die unsexy sind oder Plackerei beinhalten. Versuchen Sie nicht, Twitter zu starten. Diese Ideen sind so selten, dass man sie nicht finden kann, indem man nach ihnen sucht. Machen Sie etwas, was unsexy ist, wofür Leute Sie bezahlen.
Ein guter Trick, den Plackerei- und in gewissem Umfang auch den Unsexy-Filter zu umgehen, ist, sich zu fragen, wovon man sich wünscht, dass jemand anderes es herstellen würde, so dass man es benutzen könnte. Was würden Sie dafür jetzt gerade bezahlen?
Da Startups oft kaputte Unternehmen oder Industrien entsorgen, kann es ein guter Trick sein, nach solchen zu suchen, die am Sterben sind oder das verdienen würden und sich vorzustellen, welche Art Unternehmen von deren Verschwinden profitieren würde. Beispielsweise ist Journalismus gerade im freien Fall. Aber es ist immer noch möglich, Geld zu verdienen mit etwas wie Journalismus. Welche Art von Unternehmen könnte Leute in der Zukunft dazu bringen zu sagen: „Das ersetzte den Journalismus“ auf einer Achse?
Stellen Sie sich die Frage aber in der Zukunft vor, nicht heute. Wenn ein Unternehmen oder eine Industrie eine andere ersetzt, dann passiert das üblicherweise von der Seite. Suchen Sie also nicht nach einem Ersatz für X; suchen Sie nach etwas, von dem die Leute später sagen werden, dass es sich zu einem Ersatz für X entwickelte. Und seien Sie erfinderisch, was die Achse angeht, entlang der das Ersetzen stattfindet. Traditioneller Journalismus ist beispielsweise ein Weg für die Leser, Informationen zu bekommen und Zeit totzuschlagen, ein Weg für Autoren, Geld und Aufmerksamkeit zu bekommen und ein Träger für verschiedene Arten von Werbung. Er könnte auf jeder dieser Achsen ersetzt werden (was auf den meisten schon begonnen hat).
Wenn Startups die Platzhirsche vernichten, dann beginnen sie üblicherweise damit, kleine, aber wichtige Märkte zu bedienen, die die Großen ignorieren. Es ist besonders gut, wenn die Haltung des Big Players eine Beimischung von Missachtung enthält, weil es diese oft in die Irre führt. Als beispielsweise Steve Wozniak den Computer gebaut hatte, der zum Apple I wurde, fühlte er sich verpflichtet, seinem damaligen Arbeitgeber Hewlett-Packard die Möglichkeit zu geben, ihn zu produzieren. Zum Glück für ihn lehnten sie das ab. Einer der Gründe dafür war, dass der Computer einen Fernseher als Monitor verwendete, was für ein High-End Hardwareunternehmen, wie es HP damals war, unzumutbar deklassiert wirkte. [17]
Gibt es Gruppen von verlotterten, aber anspruchsvollen Nutzern wie die frühen Mikrocomputer-„Hobbyisten“, die aktuell von den Großen der Branche ignoriert werden? Ein Startup, was auf größere Dinge ausgerichtet ist, kann oft einen kleinen Markt leicht erobern, in dem es einen Einsatz leistet, der durch diesen Markt alleine nicht gerechtfertigt wäre.
Da die erfolgreichsten Startups generell auf einer größeren Welle reiten, könnte es in gleicher Weise ein guter Trick sein, nach Wellen Ausschau zu halten und sich zu fragen, wie man davon profitieren könnte. Die Preise für Gen-Sequenzierung und 3D-Druck erleben beide Rückgänge, die Moores Gesetz entsprechen. Was für neue Sachen werden wir in der neuen Welt machen können, die wir in ein paar Jahren haben werden? Was schließen wir unbewusst als unmöglich aus, was in Kürze möglich sein wird?
Organisch
Aber über das explizite Suchen nach Wellen zu reden, macht deutlich, dass solche Rezepte der Plan B für Startup-Ideen sind. Ausschau nach Wellen zu halten ist im Kern eine Methode, die organische Methode zu simulieren. Wenn Sie an vorderster Front eines sich schnell entwickelnden Feldes sind, müssen Sie nicht nach Wellen Ausschau halten: Sie sind die Welle.
Das Finden von Startup-Ideen ist ein feinsinniges Geschäft, weshalb die meisten Leute, die es versuchen, so kläglich scheitern. Es funktioniert nicht gut, einfach zu versuchen, an Startup-Ideen zu denken. Wenn man das macht, bekommt man schlechte Ideen, die gefährlich plausibel klingen. Der beste Ansatz ist indirekter: Wenn Sie die richtige Art Hintergrund haben, wirken gute Startup-Ideen für Sie offensichtlich. Aber selbst dann nicht sofort. Es braucht Zeit, Situationen zu begegnen, wo man bemerkt, dass etwas fehlt. Und diese Lücken werden oft nicht wie Ideen für Unternehmen aussehen, nur wie etwas, was zu entwickeln interessant wäre. Deshalb ist es gut, die Zeit und die Neigung zu haben, Dinge zu entwickeln, einfach weil sie interessant sind.
Leben Sie in der Zukunft und entwickeln Sie, was interessant erscheint. Verrückt wie es klingt, ist dies das wahre Rezept.
Anmerkungen
[1] Diese Art schlechter Idee gibt es schon so lange wie das Internet. Sie war in den Neunzigern üblich, abgesehen davon, dass die Leute mit dieser Idee damals sagten, sie würden ein Portal für X schaffen, statt einem Sozialen Netzwerk für X. Strukturell funktioniert diese Idee wie die Steinsuppe: Man stellt ein Schild auf, was sagt: „Das ist der Platz für Leute, die sich für X interessieren“ und alle diese Leute kommen und man kann mit Ihnen Geld verdienen. Was Gründer zu solchen Ideen verleitet sind Statistiken über die Millionen von Menschen, die an jeder Art von X interessiert sein könnten. Sie vergessen, dass jeder Mensch nach diesem Standard 20 Neigungen haben kann und niemand 20 verschiedene Communities regelmäßig besuchen wird. [zurück]
[2] Übrigens sage ich nicht, dass ich mit Sicherheit weiß, dass ein Soziales Netzwerk für Haustierbesitzer eine schlechte Idee ist. Ich weiß, dass es eine schlechte Idee ist, wie ich weiß, dass zufällig erzeugte DNA keinen lebensfähigen Organismus hervorbringen würde. Die Menge der plausibel klingenden Startup-Ideen ist um ein vielfaches größer als die Menge der guten, und dabei klingen viele der guten Ideen noch nicht mal besonders plausibel. Wenn man also über eine Startup-Idee nur weiß, dass sie plausibel klingt, muss man annehmen, dass sie schlecht ist. [zurück]
[3] Genauer gesagt: Das Bedürfnis des Nutzers muss diesem ausreichend Aktivierungsenergie geben, um anzufangen, das zu nutzen, was Sie herstellen. Diese Aktivierungsenergie kann stark variieren. Beispielsweise ist die Aktivierungsenergie für Unternehmenssoftware, die auf traditionellen Kanälen verkauft wird, sehr hoch. Also müssten Sie viel besser sein, um Nutzer zur Umstellung zu bewegen. Dagegen ist die Aktivierungsenergie, die nötig ist, um zu einer neuen Suchmaschine zu wechseln, gering. Das ist wiederum der Grund dafür, dass Suchmaschinen so viel besser sind als Unternehmenssoftware. [zurück]
[4] Das wird härter, je älter man wird. Der Raum der Ideen weist keine gefährlichen lokalen Maxima auf, jedoch der Raum der Karrieren. Zwischen den meisten Wegen, die Menschen durch ihr Leben nehmen gibt es recht hohe Wände. Und je älter man wird, desto höher werden diese Wände. [zurück]
[5] Für uns war auch offensichtlich, dass das Internet eine große Sache werden würde. Wenige Nicht-Programmierer begriffen das 1995, aber die Programmierer hatten gesehen, was grafische Benutzeroberflächen bei Desktop-Computern bewirkt hatten. [zurück]
[6] Vielleicht würde es funktionieren, dieses zweite Ich Tagebuch führen zu lassen und jede Nacht einen Eintrag zu machen, der die Lücken und Anomalien auflistet, die tagsüber aufgefallen sind. Keine Startup-Ideen, nur die rohen Lücken und Anomalien. [zurück]
[7] Sam Altman weist darauf hin, dass sich mehr Zeit zu nehmen um auf eine Idee zu kommen nicht nur im absoluten Sinn eine bessere Strategie ist, sondern auch unterbewertet weil so wenige Gründer es tun.
Es gibt vergleichsweise wenig Wettbewerb um die besten Ideen, weil wenige Gründer bereit sind, die Zeit zu investieren die benötigt wird, um diese zu bemerken. Hingegen gibt es ziemlich viel Wettbewerb um mittelmäßige Ideen, weil Leute, wenn sie sich Startup-Ideen ausdenken, dazu tendieren, sich die selben auszudenken. [zurück]
[8] Für Computerhardware- und Softwarefirmen sind Sommerjobs die erste Phase des Rekrutierungsprozesses. Aber wenn man gut ist, kann man die erste Phase überspringen. Wenn Sie gut sind, werden Sie kein Problem haben, eine Stelle in diesen Firmen zu kriegen, wenn Sie Ihren Abschluss haben, egal wie Sie Ihre Sommer verbracht haben. [zurück]
[9] Die empirischen Belege legen nahe, dass Hochschulen, wenn sie ihren Studenten helfen wollen, Startups zu gründen, sie am besten in der richtigen Art und Weise in Ruhe lassen sollten. [zurück]
[10] Hier spreche ich von IT-Startups; in der Biotechnologie ist das anders. [zurück]
[11] Dies ist ein Beispiel einer allgemeineren Regel: Konzentrieren Sie sich auf die Nutzer, nicht die Wettbewerber. Die wichtigste Information über Wettbewerber ist sowieso, was Sie durch die Nutzer lernen. [zurück]
[12] In der Praxis haben die erfolgreichsten Startups Elemente von Beidem. Und man kann jede der Strategien in der Form der anderen beschreiben, indem man die Grenzen dessen anpasst, was man den Markt nennt. Aber es ist hilfreich, die beiden Ideen als separat anzusehen. [zurück]
[13] Ich zögere trotzdem fast, diesen Punkt hervorzuheben. Startups sind Unternehmen; der Sinn eines Unternehmens ist, Geld zu verdienen; und mit dieser zusätzlichen Einschränkung können Sie nicht erwarten, dass Sie die die ganze Zeit nur an den Dingen arbeiten können, die Sie am meisten interessieren. [zurück]
[14] Das Bedürfnis muss ein starkes sein. Sie können rückblickend jede künstliche Startup-Idee als etwas beschreiben, was Sie brauchen. Aber brauchen Sie diese Rezeptseite oder diese lokale Veranstaltungsübersicht so sehr, wie Drew Houston Dropbox brauchte oder Brian Chesky und Joe Gebbia Airbnb brauchten?
Bei YC ertappe ich mich ziemlich oft dabei, dass ich Gründer frage: „Würdet ihr das selbst benutzen, wenn ihr es nicht selbst programmiert hättet? Sie wären überrascht, wie oft die Antwort nein ist. [zurück]
[15] Paul Buchheit weist darauf hin, dass der Versuch, etwas schlechtes zu verkaufen, eine Quelle für bessere Ideen sein kann:
„Die beste Technik, die ich für den Umgang mit YC-Firmen gefunden habe, die schlechte Ideen haben, ist, ihnen zu sagen, sie sollen das Produkt schnellstmöglich verkaufen (bevor sie Zeit für die Umsetzung verschwenden). Dabei lernen sie nicht nur, dass niemand will, was sie entwickeln, sie kommen oft mit einer echten Idee zurück, die sie entdeckt haben, während sie versuchten, die schlechte Idee zu verkaufen.“ [zurück]
[16] Hier ist ein Rezept, was das nächste Facebook hervorbringen könnte, wenn Sie Studenten sind. Falls Sie einen Kontakt zu einer der einflussreicheren Studentenverbindungen Ihrer Universität haben, gehen Sie auf die Alphatiere dieser Verbindung zu und bieten Sie an, deren persönlicher IT-Berater zu sein und alles zu entwickeln, was diese sich vorstellen könnten, in ihrem gesellschaftlichen Leben zu benötigen und was bislang nicht existiert. Alles, was auf diesem Wege entsteht, könnte sehr vielversprechend sein, weil solche Nutzer nicht nur die anspruchsvollsten sind, sondern auch ein perfekter Ausgangspunkt für die Verbreitung. [zurück]
[17] Und der Grund, warum Steve Wozniak einen Fernseher als Monitor verwendete, ist, dass er damit begann, seine eigenen Probleme zu lösen. Er konnte sich, wie die meisten seiner Freunde, keinen Monitor leisten. [zurück]
Vielen Dank an Sam Altman, Mike Arrington, Paul Buchheit, John Collison, Patrick Collison, Garry Tan, and Harj Taggar für das Lesen von Entwürfen dieses Essays und Marc Andreessen, Joe Gebbia, Reid Hoffman, Shel Kaphan, Mike Moritz and Kevin Systrom für das Beantworten meiner Fragen über die Geschichte der Startups.
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