Drei Gründe, warum Innovation Chefsache sein muss
Schon oft habe ich erlebt, dass das Thema Innovation auf der Agenda von Unternehmer*innen relativ weit hinten steht. Warum auch etwas ändern? Es läuft doch ganz passabel. Warum diese Denkweise für Unternehmen lebensgefährlich ist – und was das mit dem Foto zu tun hat – lesen Sie in diesem Artikel.
Erstaunlich viele Unternehmer*innen haben keinen konkreten Plan für die Zukunft ihres Unternehmens. Fragen Sie mal Unternehmer*innen aus Ihrem Bekanntschaftskreis, was ihre Produktstrategie ist oder wo sie mit ihrem Unternehmen in fünf Jahren stehen wollen. Sie werden vergleichsweise selten eine überzeugende Antwort darauf hören. Die Konsequenz ist, dass diese Unternehmer*innen vom Alltagsgeschäft absorbiert werden und vergleichsweise wenig Zeit und Energie aufwenden, das Unternehmen selbst weiter zu entwickeln.
Innovation versus Alltag
Besonders schwierig ist der Gedanke an Innovation für Unternehmer*innen, deren Laden auch ohne Innovation aktuell (noch) sehr gut läuft. Diese haben es doppelt schwer, langfristig strategisch vorauszuplanen und Veränderungen umzusetzen. Da das Geschäft gut läuft, sind einerseits die alltäglichen Belastungen hoch und lassen wenig Raum für Innovationsprojekte. Andererseits fehlt solchen Projekten die Dringlichkeit, denn die Umsätze stimmen auch so.
Überträgt man diese Situation in das Schema des Eisenhower-Prinzips, dann landen Innovationsprojekte zwangsläufig in der Ecke „weder wichtig noch dringend“ und werden damit gar nicht erst angefasst.
Wer erkannt hat, dass Innovation eine notwendige Voraussetzung für langfristiges Bestehen am Markt ist, der würde das Thema in der gegenüberliegenden Ecke einordnen – wichtig und dringend – und es damit zur Chefsache machen. Denn auch in den beiden verbleibenden Quadranten des Eisenhower-Prinzips – wichtig, aber nicht dringend sowie dringend, aber nicht wichtig – ist das Thema Innovation aus meiner Sicht nicht gut aufgehoben.
Dringend, aber nicht wichtig?
Dringende, aber nicht wichtige Aufgaben sollte man nach dem Eisenhower-Prinzip delegieren. In vielen Unternehmen gibt es deshalb Innovationsmanager*innen. Die Verantwortung für Innovation wird an Mitarbeitende delegiert, die nun dafür sorgen sollen, dass Ideen für innovative Entwicklungen gesammelt, bewertet, ausgewählt und umgesetzt werden. Warum ich das in den meisten Fällen für keine gute Idee halte, habe ich in diesem Artikel dargelegt. Die Delegation des Kernthemas Innovation sendet nach innen und außen das Signal, dass das Thema nicht wichtig genug ist, um Chefsache zu werden. Frei nach dem Motto: „Wir müssen es ja machen, aber es hält uns eigentlich von der Arbeit ab.“ Was glauben Sie, wie erfolgversprechend Innovationsprojekte sind, die in so einem Umfeld angestoßen werden?
Wichtig, aber nicht dringend?
Wichtige, aber nicht dringende Aufgaben sollte man laut Eisenhower-Prinzip terminieren, d. h. zu einem festgelegten späteren Zeitpunkt selbst erledigen. Das birgt immer das Risiko, dass auch zum geplanten Termin wieder andere, scheinbar wichtigere Alltagsprobleme Innovation in den Hintergrund drängen. Wer Innovation nicht von vornherein als dringend begreift, wird immer tatsächlich oder scheinbar dringender zu erledigende Aufgaben finden. Dazu kommt, dass beim Thema Innovation oft das Know-how fehlt, wie man denn jetzt konkret damit anfängt. Eine Aufgabe, die mir zwar als dringend dargestellt wird, deren Dringlichkeit ich aber nicht verstehe und von der ich auch nicht weiß, wie ich sie anpacken soll, wird zwangsläufig auf die lange Bank geschoben.
Innovation zur Chefsache machen
Kurz, die Chancen für Innovationsprojekte, zum Erfolg für das Unternehmen zu werden, stehen nicht zum Besten, wenn Innovation nicht als sowohl wichtig als auch dringend verstanden wird. Deshalb möchte ich Ihnen hier die wichtigsten Gründe darstellen, Innovation zur Chefsache zu machen und damit den langfristigen Erfolg Ihres Unternehmens sicherzustellen.
1. Die Entwicklung geht weiter, mit oder ohne Sie
Um wieder einmal Paul Graham zu zitieren:
Es ist unerreichbar unwahrscheinlich, dass dies der exakte Zeitpunkt ist, zu dem der technologische Fortschritt aufhört.
Wenn Sie darauf verzichten, sich an diesem Fortschritt zu beteiligen, werden es andere tun. Diese Entwicklung betrifft aber nicht nur den technologischen Fortschritt, auch Nutzungsgewohnheiten ändern sich radikal im Laufe der Zeit. D. h., auch wenn Ihr Produkt nach wie vor technologisch zur Weltspitze gehört, ist das keine Garantie, dass sich dafür in ein paar Jahren noch irgendjemand interessiert. In Finnland und Norwegen haben beispielsweise nur noch weniger als 3 % der Haushalte einen Festnetzanschluss. In Deutschland zwar noch fast die Hälfte, trotzdem ist absehbar, dass Sie auch mit dem bestmöglichen Angebot an Festnetztelefonen in Kürze kein Geld mehr verdienen könnten.
Wenn Sie sich nur auf Ihr aktuelles Produktportfolio verlassen (das betrifft Dienstleistungen natürlich genauso), werden Sie zwangsläufig in der einen oder anderen Weise abgehängt. Andere lernen mit der Zeit, es so gut wie Sie zu machen, belassen es aber nicht dabei, sondern überholen Sie – beim Preis, bei der Qualität, beim Funktionsumfang, beim Design, beim Service. Andere hören darauf, worüber Ihre Kund*innen im Internet Frust ablassen und machen es besser. Andere setzen Ideen um, die Ihre Produkte überflüssig machen. Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich selbst ständig zu hinterfragen und das Unternehmen und seine Produkte vorausschauend weiter zu entwickeln, wenn Ihr Unternehmen nicht ebenfalls überflüssig werden soll. Wenn Sie Innovation nicht als Chefsache verstehen und dadurch schleifen lassen, werden Sie schnell abgehängt.
2. Ansprüche entwickeln sich
Kennen Sie das Kano-Modell? Dieses Modell kategorisiert Produktmerkmale nach den Erwartungen der Kund*innen. So gibt es Basismerkmale, die als Standard vorausgesetzt werden, ohne die also ein Produkt praktisch keine Marktchance hat. Die nächste Stufe stellen Leistungsmerkmale dar, anhand derer Produkte verschiedener Anbieter sich differenzieren und die je nach Kunde oder Kundin als unterschiedlich wichtig eingestuft werden. Begeisterungsmerkmale schließlich sind nicht im positiven Sinn überraschende Produkteigenschaften, die den Nutzen noch einmal deutlich steigern. Es gibt auch noch unerhebliche Merkmale, deren Vorhandensein oder Fehlen egal ist und Rückweisungsmerkmale, deren Vorhandensein Kund*innen abschreckt.
Abgesehen davon, dass die Einschätzung, welches Merkmal in welche Kategorie gehört, höchst individuell ist, so tritt für jedes Produktmerkmal ein Gewöhnungseffekt ein. Was gestern noch Begeisterung hervorrief, ist heute ein beliebtes Leistungsmerkmal und gehört morgen schon zum erforderlichen Standard. Nehmen Sie als Beispiel Mobiltelefone: Vor wenigen Jahren war es eine Revolution, vom Handy aus E-Mails versenden und empfangen zu können oder Musik zu hören (Begeisterungsmerkmal), inzwischen nutzen fast alle ein Smartphone, wo der mobile Internetzugang ein Basismerkmal ist.
Was Ihre Produkte aus Sicht der Kund*innen heute auszeichnet, wird in Kürze nur noch Marktstandard sein oder gar dahinter zurückbleiben. Sie müssen neue Leistungs- und Begeisterungsmerkmale entwickeln, um mit den Ansprüchen Schritt zu halten und sich vom aufholenden Wettbewerb weiter/wieder abzuheben. Dabei geht es übrigens nicht nur um Produktmerkmale. Auch Service, Qualität, Design und Kommunikation können zur Begeisterung beitragen.
3. Es gibt Dinge, die sollte man selbst machen
Kommen wir auf das Artikelbild: Würden Sie es delegieren, Ihre*n Partner*in (je nach Geschmack) zu küssen? Wohl kaum! Dabei könnte man in vielen Fällen sicher gut argumentieren, dass es gerade dringendere Aufgaben gibt, als seine*n Partner*in zu küssen. Es gibt aber eben Sachen, die man selbst in die Hand nehmen sollte. Dazu zählen Küsse (und mehr 😉), aber aus meiner Sicht auch das Thema Innovation. Wenn die Beschäftigung mit der zukünftigen Ausrichtung des Unternehmens nicht Chefsache ist, was soll es denn dann sein? Und es gibt noch eine Gemeinsamkeit zwischen Zärtlichkeiten und Innovation: Wer darauf verzichtet, zerstört damit auf Dauer die Grundlage – der Beziehung und des Unternehmens. Oder, um es drastischer zu formulieren:
Innovation ist wie Sex: Wer es nicht macht, stirbt aus!
Wenn Sie Innovation zur Chefsache machen, senden Sie damit auch das Signal, dass positive Veränderungen erwünscht sind. Ihren Mitarbeitenden wird es dann viel leichter fallen, Verbesserungsvorschläge anzusprechen. Sie müssen deswegen auch nicht die ganze Arbeit selbst machen, nur die Initiative ergreifen und das Ruder in der Hand behalten. Oder wollen Sie eine*n Mitarbeiter*in entscheiden lassen, welche Richtung Ihr Unternehmen einschlagen soll?