Ideen auf Knopfdruck produzieren – das können die wenigsten. Entsprechend gibt es unzählige Kreativitätstechniken und Verfahren, um dafür zu sorgen, dass ordentlich die Synapsen knacksen. Aber reicht das aus, um wie am Fließband Notizzettel mit brillianten Ideen zu füllen? Der Physiker und Berater Dr. Stephen M. Sweid hat festgestellt, dass Zeit noch eine entscheidende Rolle spielt.
Einfluss der Zeit
In einem aktuellen Artikel beschreibt Dr. Sweid, dass zu Beginn eines Brainstorming typischerweise zunächst naheliegende, wenig attraktive Ideen entstehen. Erst nach einer kritischen Zeit kommt es zu einem explosionsartigen Anstieg der Ideenanzahl sowie der Qualität der Ideen. Der gleiche Effekt ist in Einzelgesprächen zu beobachten, wenngleich die kritische Vorlaufzeit hier eine andere ist.
Interessanterweise ist die kritische Zeit bis zum Losbrechen der Ideenlavine für die jeweilige Situation – Brainstorming in der Gruppe bzw. Einzeldiskussion – weitestgehend unabhängig von der konkreten Gruppe. Dr. Sweid hat diesen Effekt in den unterschiedlichsten Gruppen, in verschiedenen Ländern, verschiedenen Branchen und bei verschiedensten Themen erlebt.
Mehr Zeit zu zweit
Die kritische Aufwärm-Zeit für Gruppen beträgt laut Dr. Sweid 25 Minuten, für Einzeldiskussionen gibt er 1 h 15 min an. Die Dauer der anschließenden Phase der erhöhten kreativen Produktivität entspricht ungefähr der Aufwärmzeit. Danach setzen typischerweise Ermüdungserscheinungen ein, wodurch die Leistungsfähigkeit wieder abnimmt. Während der kreativen Hochleistungsphase ist es wichtig, nicht auf die Uhr zu schauen oder sich anderweitig vom Thema abzulenken.
Diese Erkenntnis ist insbesondere für die Planung und Vorbereitung kreativer Veranstaltungen zur Ideenfindung wichtig. Wenn das Ziel ist, nicht nur kleine Verbesserungsvorschläge, sondern bahnbrechende Ideen zu generieren, darf man sich nicht von schwachen Resultaten in der Anfangsphase entmutigen lassen. Für Gruppen-Veranstaltungen ist etwa eine Stunde nötig, Einzeldiskussionen sollten von vornherein für zweieinhalb bis drei Stunden geplant werden, wenn die kreative Hochleistungsphase ausgenutzt werden soll.
Weitere Faktoren wichtig
Natürlich wird nicht jede Ideenfindung automatisch zum Erfolg führen, nur weil sie hinreichend lange dauert. Dafür müssen noch einige andere Faktoren zusammenkommen. Wichtigste Voraussetzung ist aus meiner Sicht, dass ein klares, attraktives und spezifisches Ziel vorgegeben ist. Damit fokussieren sich die Ideen in eine Richtung, statt in alle Richtungen davonzuschweifen.
Obwohl sich Dr. Sweid explizit auf Brainstorming bezieht, ist davon auszugehen, dass die kritische Zeit auch bei anderen Kreativitätstechniken eine entsprechende Rolle spielt, auch wenn die konkrete Zeit bis zur Ideen-Explosion je nach Methode verschieden sein dürfte. Das ist eben auch an den genannten Beispielen sichtbar: In der Einzeldiskussion dauert die Aufwärmphase viel länger, da zum einen nur zwei Köpfe Ideen generieren, zum anderen im direkten Gespräch auch direktes Feedback zu erwarten ist und Vorschläge gleich diskutiert werden können. Im Brainstorming sollen hingegen Kritik und Diskussion der Ideen explizit ausgeschlossen werden, um den Fluss der neuen Ideen nicht zu unterbrechen.
Haben Sie vergleichbare oder abweichende Erfahrungen gemacht? Welche Kreativitätstechniken setzen Sie ein, um bahnbrechende Ideen zu generieren? Ich freue mich über Ihr Feedback!
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